Online Services

Herzlich Willkommen!

willkommen.jpg
 

HIV 1014 – ein Update: neue Medikamente, Therapiestart, EKAF, PEP, PreP sowie ein Blick in die Zukunft

Da mein Vortrag im diesjährigen Pride-Dorf auf reges Interesse gestoßen ist, möchte ich die wichtigsten News zum Thema HIV, für alle die am Donnerstagnachmittag der Pridewoche nicht dabei sein konnten, im folgenden zusammenfassen.

 Neues vom „Medikamentenmarkt“

In den vergangenen Jahren wurde zahlreiche neue innovative Substanzen in Europa zugelassen. Diese sind hochpotent, haben keine bis kaum Nebenwirkungen und sind in Bezug auf Resistenzentwicklung (Unwirksamwerden der Medikamente bei nicht korrekter Einnahme) weniger anfällig. Das erste Medikament, das ich in dieser (unvollständigen) Reihe nennen will ist Eviplera®. Eviplera® ist das zweite Medikament, bei welchem der Patient nur eine einzige Tablette schlucken muss (Single-Tablet-Regime). Der Vorteil dieses Medikaments liegt darin, dass man es auch morgens nehmen kann, da es ist im Vergleich zum ersten Single-Tablett-Regime (Atripla®) nicht mehr müde macht und auch die anderen zentralnervösen Nebenwirkungen (Schwindel, lebhafte Träume) nicht auftreten. Mit Stribild®, welches der Gruppe der Integrasehemmer angehört (sie Verhindern den Einbau des Virus in den menschlichen Zellkern) wurde die Reihe der Single-Tablet-Medikamente fortgesetzt. Sowohl Eviplera®, als auch Stribild® müssen mit Nahrung eingenommen werden, was manchen Patienten, vor allem morgens Probleme bereiten kann.Dieses Problem löst ein weitere neuer Vertreter der Integrasehemmer nämlich Tivicay®. Tivicay® hat den Vorteil, dass es unabhängig von der Nahrungsaufnahme eingenommen werden kann – zurzeit mit einer weiteren Tablette. In einigen Monaten wird aber auch Tivicay® als Single-Tablet-Regime in einer Fixkombination mit Kivexa® zur Verfügung stehen.

 Die ewige Frage: „…when to start therapy“

Diese Frage wird bereits seit einigen Jahren, vor allem seit der Zulassung immer potenterer und besser verträglicher Medikamente, bei nahezu jedem nationalen und internationalen Kongress unter den Fachleuten heftig diskutiert. Viele ältere Medikamente mit all ihren Problemen führten in der Vergangenheit dazu, dass man sehr zögerlich mit der Einleitung einer HIV-Therapie war. In einigen Ländern wartete man bis die CD4-Zellen auf 200 abgesunken waren und begann erst dann mit der HIV-Therapie. Inzwischen weiss man, dass dieser Zeitpunkt zu spät ist und man beginnt früher mit der Medikamentengabe. Doch so einfach ist es leider doch nicht: unterschiedliche wissenschaftlicher Fachgruppen empfehlen unterschiedliche Zeitpunkte mit der Therapie zu beginnen.

Hier ein kleiner Überblick:

  1. US-Guidelines: „offer to all patients when CD4<500 („strong“) and when CD4>500 („moderate“)“
  2. WHO-Guidelines: „offer to all patients when CD4< 500 and to all with negative Partner“
  3. EU/EACS-Guidelines: „start CD4<350 CD4 and consider/discuss when negative partner“
  4. Deutsch-Österreichische-Guidelines:    
  • CD4<200 „so rasch wie möglich starten“                                              
  • 200-350 CD4 „so rasch wie vertretbar starten“                       
  • 350-500 CD4 „Start kann erfolgen“                                                        
  • CD4>500 „Start vertretbar und kann erfolgen“

Wie man sieht also ziemlich verwirrende Empfehlungen der internationalen Fachleute.In unserer Praxis bieten wir, basierend auf den US-Guidelines, jedem Patienten unabhängig von der Höhe der CD4-Werte, nachdem wir die Vor- und mögliche Nachteile eines Therapiestartes diskutiert haben, eine HIV-Therapie an. Wenn er noch zuwarten will, wird er, wenn die CD4-Zellen unter 500 gesunken sind, neuerlich auf die Vorteile des Therapiestartes hingewiesen. Wenn er auch zu diesem Zeitpunkt noch Bedenken hat, wird er, wenn die CD4-Zellen unter 350 gefallen sind, ganz eindringlich auf die Notwendigkeit eines Therapiestartes hingewiesen.

 „…infektiös oder nicht infektiös“?

Es ist bereits mehr als 5 Jahre her, dass eine Meldung der Schweizer eidgenössischen Kommission für AIDS-Fragen (EKAF) im Jänner 2008 die Fachwelt und in der Folge auch die Patienten aufhorchen lies. Hier der Text der Erklärung im Original:

Die Eidgenössische Kommission für Aidsfragen (EKAF) hält auf Antrag der Fachkommission Klink und Therapie des Bundesamtes für Gesundheit, nach Kenntnisnahme der wissenschaftlichen Fakten und nach eingehender Diskussion fest: Eine HIV-infizierte Person ohne andere STD unter einer antiretroviralen Therapie (ART) mit vollständig supprimierter Virämie (im Folgenden: «wirksame ART») ist sexuell nicht infektiös, d. h., sie gibt das HI-Virus über Sexualkontakte nicht weiter, solange folgende Bedingungen erfüllt sind:

–  die antiretrovirale Therapie (ART) wird durch den HIV-infizierten Menschen eingehalten und durch den behandelnden Arzt kontrolliert;

–  die Viruslast (VL) liegt seit mindestens sechs Monaten unter der Nachweisgrenze (d.h., die Virämie ist supprimiert);

–  es bestehen keine Infektionen mit anderen sexuell übertragbaren Erregern (STD).

In kurzen Worten zusammengefasst kann man sagen, dass ein HIV-Positiver, wenn er seine Therapie seit mindestens 6 Monaten korrekt einnimmt, regelmäßige Kontrollen durchführen lässt und keine anderen sexuell übertragbaren Krankheiten vorhanden sind, praktisch nicht mehr infektiös ist. Die genannten Bedingungen machen aber auch klar, dass diese Erklärung ausschließlich für Partner oder bekannte Sexpartner gilt, denen man vertrauen kann, dass die oben genannten Bedingungen erfüllt werden. Safer Sex ist also weiterhin der einzige brauchbare Infektionsschutz für alle Gelegenheitskontakte (Kondome reduzieren übrigens auch die Infektionsgefahr für andere sexuell übertragbare Krankheiten).

 „…Kondom geplatzt, was nun?“

Viel zu wenig bekannt in der österreichischen Gay-Szene ist die Tatsache, dass man mit der vorsorglichen (präventiven) Einnahme von HIV-Medikamenten, das mögliche HIV-Infektionsrisiko nach einem ungeschützten Sexualverkehr deutlich senken kann. Die Medikamente sollten so rasch wie möglich nach dem Risiko, ideal innerhalb weniger Stunden, für 4 Wochen eingenommen werden. Schon alleine auf Grund möglicher Nebenwirkungen, aber auch auf Grund der enormen Kosten von ungefähr € 1500,00 für diese 4 Wochen, stellt die Postexpositionsprophylaxe keine Alternative zu Safer Sex dar. Im Falle eines HIV-Infektionsrisikos sollte man sich dennoch nicht scheuen ein HIV-Behandlungszentrum oder eine Schwerpunktpraxis zu kontaktieren (http://www.aidsgesellschaft.info/partner/behandlungszentren.htm).

 „…PreP or no PreP?“, das ist die Frage!

Unter PreP (PreExpositionsProphylaxe) versteht man die vorsorgliche (prophylaktische) Einnahme einer antiviralen (HIV) Therapie bereits vor dem ungeschützten Sex zur Reduktion des Infektionsrisikos, im Gegensatz zur oben erwähnten Postexpositionsprophylaxe (PEP), die nach einem möglichen Risiko verabreicht wird. Vor ziemlich genau 2 Jahren, im Sommer 2012 wurde ein Medikament, welches eigentlich zur Behandlung einer HIV-Infektion entwickelt wurde, in den USA für diese Indikation zugelassen. Exorbitante Kosten und die Frage der Finanzierung, ein nicht optimaler Schutz, vor allem bei nicht hundertprozentig korrekter Einnahme, sowie mögliche Nebenwirkungen führen dazu, dass es in Europa bisher zu keiner Zulassung dieser Substanzen für diesen Einsatz gekommen ist, und dass daher eine PreP von kaum einem österreichischen Arzt befürwortet oder verordnet wird.

 Medikamente der nahen Zukunft

Die Pharmaindustrie investiert hunderte Millionen Euro und gemeinsam mit uns HIV-Therapeuten viel Arbeit und Energie in die Entwicklung neuer noch wirksamerer, nebenwirkungsloser intelligenter Substanzen zur Behandlung und vielleicht sogar zur Heilung der HIV-Infektion. In den nächsten Jahren lassen einige neue Medikamente aufhorchen. Bereits Ende dieses beziehungsweise Anfang kommenden Jahres wird wie bereits eingangs erwähnt Tivicay® in Kombination mit Kivexa® als 4. Single-Tablet-Regime (neben Atripla®, Eviplera® und Stribild®) die Therapiemöglichkeiten bereichern. Weiters werden neue Substanzen aus bereits bekannten Substanzgruppen, wie zum Beispiel nicht nucleoside reverse Transkriptasehmmer und Proteasehemmer erwartet. Aber auch vollkommen neue Substanzgruppen erscheinen am Horizont. Reifungsblocker, die den Reifungsprozess der Viren blockieren und Attachment-Inhibitoren, die das andocken des Virus direkt an den Virusrezeptoren verhindern, scheinen sehr vielversprechend zu sein. Als kleine Sensation wurde bereits auf einigen Kongressen eine „1-Monatsspritze“ präsentiert. Dabei werden Rilpivirin (in Eviplera) und Tivicay derart modifiziert, dass die intramuskuläre Applikation nur mehr alle 4 (oder 8) Wochen erforderlich ist.

Alles in Allem kann man sagen, dass die Prävention, Behandlung und möglicherweise Heilung der HIV-Infektion spannend bleibt und weiterhin intensiv beforscht wird.

 Kurzinfo:

  • Attachment-Inhibitoren: Medikamente die das Andocken der HI-Viren an menschliche Zellen, und somit die Infektion dieser, direkt am HI-Virus blockieren (noch nicht zugelassen)
  • EKAF: Eidgenössische Kommission für AIDS Fragen (Abteilung des Schweizer Gesundheitsministeriums, zuständig für HIV und AIDS)
  • Integrasehemmer: HIV-Medikamente, welche den Einbau der Viren in den menschlichen Zellkern verhindern (Vertreter: Isentress®, Stribild®, Tivicay®
  • Pre-exposure prophylaxis: als Preexposoitionsprophylaxe bezeichnet man die tägliche präventive Einnahme von HIV-Medikamenten (Truvada®) vor einem Risikokontakt zur Verhinderung einer HIV-Infektion
  • Post-exposure prophylaxis: als Postexposoitionsprophylaxe bezeichnet man die 4-wöchige präventive Einnahme von HIV-Medikamenten nach einem Risikokontakt zur Verhinderung einer HIV-Infektion
  • Reifungshemmer: Medikamente die das Ausreifen der noch nicht fertigen HI-Viren verhindern (noch nicht zugelassen)
  • Single-Tablet-Regime: HIV-Therapie, bei der man täglich nur eine Tablette schlucken muss